Innenweltkosmos

Philosophie


Der Verlust der Wirklichkeit und der göttlichen Mitte
Eine philosophische Betrachtung, bearbeitet von Helmut Diehl


Die Bibel der Christenheit beginnt mit dem Satz:“ Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die intellektuell begabten Menschen meinen die Erde zu kennen und das Wesentliche über den Erdkörper zu wissen. Aber wissen sie auch, dass die Erde nach den bewährten Schöpfungsprinzipen gestaltet wurde, wie alles was Gott geschaffen hat, nämlich nach den Prinzipien und der Form einer biologischen Zelle?

Dieses Prinzip, angewendet auf alle Formgestaltung bedeutet, dass jede Form, die in der Natur vorkommt und die der Mensch kopiert, nach dem Grundmuster der Zelle beschaffen ist: Dies bedeutet also: Es wird ein Raum mit Hilfe einer Schutzschale mit mindestens zwei Öffnungen gebildet, wovon die eine dem Einverleiben dient und die andere der Ausscheidung. Es gibt keine Abweichung von diesem Prinzip, gleichgültig ob es nun ein Geschöpf Gottes ist, ein Gebilde der anorganischen Natur oder ob ein technisches Gebilde nur einen Raum einnimmt. Der so gewonnene oder zugewiesene Raum wird mit Organen oder dem Zweck des Gebildes dienenden Einrichtungen so ausgestattet, dass zwischen den Organen oder Einrichtungen ein vermittelndes Fluidum alles durch einen Kreislauf verbindet.

Die schützende und begrenzende Schale mit ihren verschließbaren Öffnungen verbindet dieses Gebilde mit der Außenwelt zum Stoffwechsel.

Dies gilt bereits vom kleinsten individuellen Gebilde bis hin zum größten alles umfassenden Gebilde oder Geschöpf, dem Kosmos.

Alle Gebilde anorganischer oder technischer Art werden im Innern von einem Kreislauf durchpulst, dessen Energie von außen zugeführt wird. Nur die organischen Gebilde haben exzentrisch in der Mitte ihres Innenraumes einen Zellkern, der dieses Gebilde als ein Lebewesen ausweist. Dieser Zellkern steuert die typischen Funktionen des Biologischen und steuert über die inneren Kreisläufe das Überleben des aus Bio-Zellen gebildeten Körpers, alle Bewegungen, die Heilvorgänge und das Nachwachsen beschädigter Organteile und trägt in sich die Fähigkeit der Reproduktion.

Alles Geschehen, alle Lebensäußerungen von Schale und Innenraum sind auf den Zellkern hin gerichtet und alle lebenserhaltenden Funktionen des Zellkerns sind auf das organische Geschehen im Innenraum und die Schale gerichtet. Außerdem verfügt der Zellkern über nervliche Verbindungen über die inneren Sinnesorgane zum Außen des Lebewesens, um den äußeren Gefahren begegnen zu können. Ein Gedächtnis zeichnet das Geschehen auf und ermöglicht mit Hilfe der Erinnerung ein logisch abwägendes und richtiges Verhalten zum Schutz durch Abwehr oder Flucht.

Was bei dem kleinsten Lebewesen in dieser durch Erfahrung bewährter Art vom Schöpfer des Ganzen, oder den erhaltenden Kräften der Natur gegeben ist, muss logischer Weise auch vom Gebilde des Ganzen, also des Kosmos erwartet werden. Wer dem widerspricht, handelt gegen die Erfahrung in der Wirklichkeit und müsste eine sehr gute Begründung dafür haben, warum er von der Weisheit der in der Natur herrschenden Form- und Funktionsart abweichen würde.

Die ganze Wirklichkeit spricht dagegen.

Trotzdem ist die theoretische Wissenschaft von diesem Formenprinzip und damit von der beobachteten Wirklichkeit abgewichen.

Warum geschah das?

Der Naturphilosoph Gustav Portig (10) gibt in seinem Buch: Das Weltgesetz des kleinsten Kraftaufwandes in den Reichen der Natur. Teil I auf den Seiten (3-10 u. 17-20) folgende Hinweise dazu:

„Es ist eine Stärke und zugleich eine Schwäche der menschlichen Vernunft, dass sie die ungeheure Vielheit der Dinge und Geschehnisse zunächst auf Mehrheiten, diese aber wieder auf eine einzige oder möglichst wenige Einheiten zurückführen kann und muss. Dieses Verfahren ist nötig, damit sie aller Eindrücke und Vorstellungen mächtig werde und ihnen gegenüber ihre eigene Einheit und Selbständigkeit behaupten kann. Da das menschliche Ich sich unmittelbar und stets als Einheit weiß, so steht es unter dem Zwang, auch die Welt als Einheit zu begreifen.

Die Seele eines höheren Tieres vermag wohl aus sinnlichen Eindrücken sich Vorstellungen zu machen und unter diesen eine sehr begrenzte Auswahl zu treffen. Die Vernunft des menschlichen Geistes hingegen ist fähig, aus zusammen gehörigen Vorstellungen Begriffe zu bilden, aus diesen wiederum Ideen. Sie sucht alle gegebenen Zusammenhänge von Geschehnissen als gesetzliche nach Ursachen und Wirkungen zu verstehen, nach Gründen und Folgen. Alle ihre Begriffe, Ideen und Gesetze verschmilzt die Vernunft wiederum zur Einheit eines formal harmonischen und materiell den ganzen Menschen befriedigenden Weltbildes.

Dieses auf dem 'Wege des ansteigenden Verfahrens gewonnene Weltbild kann der menschliche Geist dann wieder als sicheren Pfadfinder zur Entdeckung noch unbekannter Gebiete benutzen.

Soweit nun diese ungeheuere Arbeit sich vollzogen hat in vorgeschichtlicher Zeit als ein Werk des unbewussten Volksgeistes, empfängt der Einzelne den Niederschlag derselben in der Sprache. Alle Begriffe einer Sprache sind das Ergebnis von mehr oder weniger verwickelten Kristallisationsprozessen, durch welche etwas Vielfaches vereinheitlicht wurde. Alle Sprachbildung kann immer nur von gegebenen Anschauungen zu Begriffen fortschreiten, welche die menschliche Vernunft aus eigener Kraft nach einem ihr innewohnenden Gesetz und nach in ihr ruhenden Stammbegriffen vollzieht. Denselben Weg, welchen der unbewusste Volksgeist einst bei der Bildung der Sprache gegangen ist, muss der bewusste Geist des Einzelnen immer wieder gehen, wenn er sich selbst eine Lebens- und darüber hinaus eine Weltanschauung bilden will als den Erwerb und das beherrschende Grundmotiv seines ganzen Wirkens. Sowie es immer nur einzelne eindeutige, nicht aber zweideutige Wahrheiten geben kann, so kann es schließlich auch nur eine einzige, in sich einheitliche und befriedigende Weltanschauung geben, die aus dem Gesamtmaterial der Erfahrung von Jahrtausenden als Vereinheitlichung hervorgeht.

Alle aus Vereinheitlichungen hervorgegangenen Begriffe, Ideen und Gesetze bilden zusammen den Bereich der logischen und der mathematischen Möglichkeit. Dasselbe muss aus dem Bereich der gegebenen Wirklichkeit durch innere und äußere Erfahrung abgeleitet sein, dann aber eine Bedeutung in sich selbst erlangen, weil das Denken der Vernunft in ihm sich als ein relativ zeugendes erwiesen hat.

Der Bereich der (logischen) Möglichkeit kann und soll wohl aus demjenigen der Wirklichkeit abgeleitet werden; das umgekehrte Verfahren aber ist unstatthaft.

Es ist eine aus Bequemlichkeit hervor gegangene Selbsttäuschung, jenen Bereich der Möglichkeit allein aus der menschlichen Vernunft herausspinnen zu wollen, und hinterher einige Tatsachen aus der Wirklichkeit als vermeintliches Beweismaterial heranzuziehen. Das einzig Richtige ist, durch hoffnungsfreudiges Arbeiten und demütige, Selbstverleugnung das reiche Erfahrungsmaterial zu sammeln, kritisch zu ordnen und auf diesem gesicherten Grunde langsam emporzusteigen zu einem vielleicht lückenhaften, aber des Ausbaues und der Vollendung fähigen Weltbildes.

Es ist eine Anmaßung, von bloß gedachten Möglichkeiten aus die Wirklichkeit bestimmen oder gar erzeugen zu wollen.

Vielmehr bleibt als einzige würdige Aufgabe der Philosophie bestehen, dass durch möglichst weitgehende und richtige Vereinheitlichung der gesamten Erfahrungswelt eine Grunderfahrung ersteht, welche ebenso in ihrer Art eine Wirklichkeit und Notwendigkeit besitzt, wie die Welt der Substanz in der ihrigen.

Es kann aber auch eine Weltanschauung erbaut sein mit Hilfe des niederen Vermögens des Verstandes, und eine solche mit Hilfe der höheren Einsicht der Vernunft. Im einzelnen Menschen wie in der Entwickelung der Kulturmenschheit geht das niedere Vermögen dem höheren voran. Wenn das richtig ist, so müssen die von beiden Vermögen erarbeiteten Weltanschauungen ebenso unter sich an Rang und Wert verschieden sein. Und in der Tat zeigt sich das auch bei dem Vergleich beider Denksysteme (Weltanschauungen). Der Verstand kann immer nur durch fortgehende T r e n n u n g e n bis zu einer letzten Vereinfachung gelangen; die Vernunft gelangt durch Verschmelzungen zu Vereinheitlichungen. Beide mal findet ein "Einen" statt; das Verfahren und das Ergebnis aber verhalten sich entgegengesetzt.

Der Verstand verknüpft entweder Einzelheiten zu einer Summe, oder er zerlegt umgekehrt eine Summe in ihre Teile. Sein Ideal muss es sein, zuletzt bei lauter gleichartigen Teilchen anzulangen, und deren Summe dann begrifflich als einfachste Einheit zu fassen. Durch immer weiter gehende Ablösungen, Auflösungen und Verdünnungen gewinnt er seine logischen Abgezogenheiten. Er scheidet durch Unterscheiden, er zerfasert alles individuelle, um hinter und über demselben ein begriffliches Allgemeines zu entdecken; er vereinerleit die gewonnenen Verallgemeinerungen, bis er schließlich bei dem Allgemeinsten als einem in sich selbst Einfachsten anlangt. Er bewältigt also die ungeheuere Vielheit der Dinge und Geschehnisse dadurch, dass er ihre Wirklichkeit zerstört, um ein Schattenbild von ihnen als das vermeintlich Wesenhafte alles Seins übrig zu behalten

Ob nun der Verstand beim Werk seiner Vereinfachung sich zuletzt für die philosophische Vernunft hält, weil er anlangt bei einer Uridee, einem Urgesetz oder einer Ursubstanz, also immer bei einer Eins, das ändert nichts am Wesen der Sache. Nachdem er aber auf dem Wege des fortgesetzten Verneinens sein Letztes gewonnen hat, macht er dieses auf einmal zu seinem Höchsten. Aus diesem lässt er dann wieder dieselbe Welt Kraft eines logisch-dialektischen oder mathematischen Mechanismus herausspazieren, welche er zuvor bis zur letzten Einfachheit verdünnt hatte. Wie ein Fächer sich entfaltet und wieder zusammenfaltet, so auch hier der Weltprozess; wie sich die beiden Hälften der Dur-Tonleiter, eines symmetrischen Gebäudes, eines Springbrunnens, einer rechts und links drehenden Säule in der Chemie entsprechen, so auch die ansteigende und die absteigende Hälfte des Weltprozesses. Dieses Fangeballspielen des Verstandes mit seinen eigenen Schatten könnte man ihm ruhig überlassen, wenn es ihm nicht einfiele, von ihnen aus den Bereich der Wirklichkeit meistern zu wollen.

Er behauptet nun kühn, dass es Gewissheit nur im Bereiche seiner logischen und mathematischen Möglichkeiten gebe, während der Bereich der Wirklichkeit nur zu Wahrscheinlichkeiten führe. Die formale Richtigkeit gilt ihm mehr als der materielle Inhalt dessen, was wir schließlich als Wahrheit erkennen. Sowie einst die Theologie von der Philosophie nur als Werkzeug gewisser Beweisführungen Gebrauch machte; wie die Ästhetik bis tief in das 19. Jahrhundert hinein die Kunstgeschichte nur als Beispielsammlung behandelte, und die Mathematik in Gestalt der theoretischen Physik das noch heute tut - so auch behandelt die Philosophie des reinen Verstandes den Inhalt der Geschichts- und Naturwissenschaften nur als Material für ihre allein wesenhaften Vereinfachungen.

Nun aber ist das Streben des Verstandes nach möglichster Vereinfachung ganz dasselbe, gleichviel ob es in der Philosophie oder Theologie, in der Mathematik oder den Naturwissenschaften auftritt. Die Grundvoraussetzung ist immer wieder, dass der Verstand unter dem Namen der Vernunft ein vermeintlich Letztes gewinnen will, welches er dann nach rückwärts in den Anfang verlegt. Einmal in dem Besitz dieses Einfachsten und Letzten, zaubert er dann die ganze Wirklichkeit wieder daraus hervor. Wie es dabei zugeht, dafür ist die theoretische Physik noch heute ein schlagendes Beispiel. Sie entwickelt ihre Gesetze auf dem Wege der mathematischen Beweisführung, und sie kann dabei Großes leisten, wenn der Physiker in den von ihm zu findenden Ansatz die richtigen Voraussetzungen hineinbringt. Entweder hat er dieselben in einem schauenden Denken empfangen, wie Helmholtz in seiner Formel vom Prinzip des kleinsten Kraftmaßes, oder Maxwell in den Grundgleichungen seiner elektromagnetischen Lichttheorie, oder Max Planck in seinen Urformeln für das Wesen des Raumes und der Zeit, der Masse und der Temperatur (1899). Oder auch er hat aus der bis dahin bekannten Wirklichkeit richtige Tatsachen entnommen und sie in die Form eines neuen Problems gebracht. Machen nun die Physiker , wie das oft der Fall ist, verschiedene Ansätze für ein und dasselbe Problem; tragen sie falsche Voraussetzungen hinein, so enthält auch die gesuchte Antwort, d. h. die Entwickelung der Gleichungen, Irrtümer und Trugschlüsse. Obendrein beruht auch die höhere Mathematik auf Voraussetzungen rein philosophischer Natur, welche der Verstand zuvor unmittelbar oder mittelbar einem Stück der gegebenen Wirklichkeit entnommen und für seine Zwecke umgewandelt hat.

Nun kann es aber der Naturwissenschaft gar nicht scharf und oft genug gesagt werden, dass man durch alle logischen und mathematischen Schlussfolgerungen wohl zu einer gedachten Folgerichtigkeit, nicht aber zu einer Vorausdarstellung der Wirklichkeit gelangen kann.

Ein tieferes Studium ergibt, dass die Naturwissenschaft voll ist von Hypothesen. Die wahrhaft bedeutenden Führer der einzelnen Disziplinen erkennen das auch an; nur die Größen zweiten und dritten Ranges täuschen erst sich selbst und dann Andere, wenn sie im Handumdrehen das für wissenschaftliche Wahrheit ausgeben, was doch nur Vermutung

oder im günstigsten Falle Bruchstück einer Wahrheit ist. Gerade diejenigen Naturforscher, welche in Bezug auf ihr eigenes Philosophieren die reinen Waisenknaben sind, ziehen am unverfrorensten gegen die Philosophie zu Felde. Sie können nicht einmal logisch richtig denken, geschweige denn, dass sie zu einer Metaphysik fähig wären. In den letzten 50 Jahren (ab 1850) hat die Naturwissenschaft den Nimbus der Unfehlbarkeit sich ebenso beigelegt, wie früher die orthodoxe Theologie und Philosophie. Wenn es dem heranwachsenden Geschlechte zu tagen beginnt, dann wehe jenen Päpstlein! Entweder es gibt eine orthodoxe, göttlich inspirierte Dogmatik, oder es gibt eine historisch - genetische, kritische, demütige Wissenschaft.

Wollen die berufenen Vertreter der letzteren die Rollen wechseln mit der ersteren , dann ist ohne allen Zweifel die römisch-katholische Kirche der großartigste Mechanismus, und ihr unfehlbarer Papst hundertmal vorzuziehen den wurmstichigen Faschingshelden des angebeteten Abstraktums "die Wissenschaft".

Gott sei Dank! Wir besitzen jetzt endlich den Anfang einer neuen Tatsachenreihe, auf welche wir eine probehaltigere Weltanschauung gründen können, als die bisherige war. Aber nur wenn wir demütig der gegebenen Wirklichkeit nachgehen, erscheint sie uns in ihrer ganzen Größe. Es war der falsche Größenwahn des Verstandes, wenn einst L e i b n iz die Philosophie in Mathematik und Logik auflösen wollte, wie man heute wieder die Philosophie in Psychophysik aufgehen lassen möchte. Es war ein Salto mortale der Logik, wenn Kant der Natur ihre Gesetze vom menschlichen Verstand aus vorschreiben lassen wollte. Es war der Gipfel der Taschenspielerei, wenn Hegel aus dem vermeintlichen Urbegriff des Sein- Nichts denselben Weltprozess aufrollte, dessen Inhalt er erst der Wirklichkeit entnommen hatte.

Aber nicht bloß die meisten Philosophen, auch viele Naturforscher sind in dem Wahn befangen, dass das Reich der logischen und mathematischen Möglichkeiten sich decke mit demjenigen der Wirklichkeit; dass beide einander parallel laufen oder auch verlaufen als verschiedene Mechanismen; dass die logischen und mathematischen Formeln den ganzen Inhalt der Wirklichkeit erschöpfen. Hier wird der Schatten als gleichartig mit dem Licht, das Werkzeug und die Skizze als ebenbürtig dem vollendeten Kunstwerk gedacht. Aber es muss endlich die Erkenntnis allgemein werden, dass der Bereich der logischen und mathematischen Möglichkeiten wohl ein quantitativ Unendliches, der Bereich der Wirklichkeit aber ein solcher der individuellen Bestimmtheiten und eindeutigen Tatsachen ist, und dass eine einzige, tatsächliche gegebene Bestimmtheit einen höheren Wert besitzt als ein Kaleidoskop von bloßen Möglichkeiten.

Wenn der philosophierende Verstand die gegebene Wirklichkeit vereinfachen will bis zu einem letzten allgemeinsten und dünnsten B e g r i f f, so sei ihm das unbenommen. Wenn er aber sein Letztes zu dem Ersten und Höchsten umdreht, das Ärmste zu dem Reichsten machen zu dürfen glaubt, so muss man ihm zurufen. Lass deine Hände davon ab!

Dieses bis zuletzt durchgeführte Verallgemeinern und Vereinfachen hat nur insofern einen gewissen Wert, als es mittelbar beweist, dass der Mensch auf d i e s e m Weg keine wahre Philosophie treiben kann und soll.

Dieses Spiel mit Schatten verleitet aber nur zu leicht zu dem Wahn, als sei der menschliche Verstand eine schöpferische Kraft. Das ist gefährlich, weil der Mensch gegenüber seinen eigenen letzten Verdünnungen und Vereinfachungen keine persönliche sittliche Entscheidung nötig hat, wie gegenüber dem lebendigen selbstbewussten Gott.

Es gilt, sich folgende Wahrheit als eine grundlegende klar zu machen. Alle Operationen des trennenden, vereinfachenden Verstandes stehen unter der Herrschaft des metaphysischen Urbegriffs der Quantität, und dieser setzt in der Wirklichkeit die substanziellen Individualitäten voraus, auf welche er angewandt werden kann. Wohl gewinnt der Verstand durch seine Vereinfachungen an Ausdehnung, was an Inhalt verloren geht; aber er sollte nirgends zurückschrecken vor der Anerkennung, dass die schrankenlose Ausdehnung das Letzte ist, wobei er ankommt. Es ist hierbei für ihn gleichgültig, ob das eine solche der bloßen allgemeinen Daseinsmöglichkeit oder eine solche der allgemeinen Substanz ist. Für ihn liegen eben beide hinter den Individualitäten der Wirklichkeit. Es mag auch dem philosophierenden Verstand unbenommen sein, diese äußerste aller seiner Negationen als "das Absolute" zu bezeichnen. Das Unbedingte, das Unbeschränkte ist ja schließlich nur die möglichste Erweiterung einer Negation. Es ist vollkommen richtig, dass die inhaltleerste Ausdehnung als bloße Daseinsmöglichkeit auch völlig beziehungslos sein muss, weil eine jede Individualisierung jenes Urbegriffes auch eine Verendlichung, d. h. eine Verengerung der allgemeinsten Negation einschließt.

Aber es ist eine nicht scharf genug zu brandmarkende Ungeheuerlichkeit, die Ur-Negation im Handumdrehen zur Ur-Position, das letzte Mögliche als das uranfänglich Wirkliche, das Unvollkommenste zum Vollkommenen schlechthin zu machen.

Beginnt und endet der Weltprozess nur mit der leersten aller Negationen, so ist er selbst nur eine andere Form des Scheines; dann verhalten sich logische Möglichkeit und Wirklichkeit nur wie Verdünnung und Verdichtung eines und desselben Etwas. Hier sind die Individuen um des Weltprozesses willen da, und dieser wiederum hat den Zweck, durch seine Selbstauflösung am Ende zu beweisen, dass nichts wahrhaft existiert als das logisch Mögliche. So wie sich in der Mechanik die potenzielle Energie immer wieder verwandeln kann in aktuelle und umgekehrt; so wie sich der ganze Naturprozess schließlich auflöst in die allgemeine gleiche Wärme oder auch Nicht-Wärme: so verschwindet dort das Sein in das Nichts.

Der Begriff des Absoluten hat nur dann einen Wert, wenn das Letzte und Höchste zugleich als das Vollkommenste gedacht wird.

Es ist ein Widerspruch in sich selbst, aus der letzten inhaltleersten Verneinung (das Un-Endliche) durch bloße Umkehrung das Inhaltvollste machen zu wollen. Wenn der Begriff der Quantität der alleinige, alles beherrschende Urbegriff ist, so gelangt die Philosophie nur zu einem negativ, nicht zu einem positiv Absoluten.

Diese schrankenlose Ausdehnung entspricht in der Metaphysik dem Raum und der Zeit, denn der Raum ist ruhende allseitige, die Zeit bewegende einseitige Ausdehnung. Innerhalb der Materie entspricht sie dem Weltäther, innerhalb des Monismus des Geistes der unbewussten Weltseele. Die schrankenlose Ausdehnung des logischen Verstandes ist die allgemeine D a s e i n s m ö g l i c h k e i t, von welcher sich alle individuelle Wirklichkeit abheben muss. Sie wird aber von der monistischen Weltanschauung zur allgemeinen S u b s t a n z gemacht und als solche "absolut", d. h. schrankenlos genannt. Selbstverständlich kann diese nur "unbewusst" sein; wenn sie wirksam wird, kann sie nur sich selbst zum Gegenstand haben, und existiert also dann zugleich in zwei verschiedenen Formen ihrer selbst. Sie bildet mit sich selbst ein Gegenstück (Thesis-Antithesis), wenn sie sich auseinanderlegt; sie bildet wieder eine Einheit (Synthesis), wenn sie sich wieder in sich selbst zurücknimmt.

Auf diese so genannte absolute, allgemeine, einfache Substanz wird nun ein Name übertragen, welcher der Wirklichkeit entnommen ist. Entweder wird sie gedacht als Materie (früher als Stoff [Masse] und Nicht-Stoff, als nichtstoffliche Kraft"; oder neuerdings als Äther dessen nächste Verdichtung dann die Energie, dessen weitere Verdichtung der Stoff ist); oder endlich als Energie, deren Verdünnung der Äther, deren Verdichtung der Stoff ist.

Der andere aus der Erfahrung entnommene Name ist derjenige des Geistes.“

An dieser Stelle unterbreche ich den Philosophen Portig, weil die Forschungsergebnisse ihn im positiven Sinne überholten, denn es sind nun 100 Jahre vergangen, seit er sein Buch veröffentlichte. Was er besonders herausarbeitete ist die Beziehung der Quantität zur Qualität. Mit Quantitäten kann man mathematisch relativ problemlos rechnen, sowie es um Qualitäten geht, ist äußerste Sorgfalt geboten; denn es geht um unterschiedliche und meist höhere Werte. Meist drückt der Preis den höheren Wert aus, aber wenn es nicht um Geld und Preis geht, wie ordnet man dann Qualitäten ein? Liebe ist mathematisch nicht korrekt mit Zahlen zu erfassen, sie ist auch nicht mit Geld zu kaufen und trotzdem gehört sie zu den höchsten Werten. Liebe zu empfinden, zu geben und empfangen zu können, sind Fähigkeiten unterschiedlichen Maßes. Was ist diese Fähigkeit? Sie gehört nicht in den Bereich des Materiellen, sondern in den Bereich des Seelisch-Geistigen, wie so vieles aus dem Bereich der Empfindungen der Gedanken und dem intellektuellen Prozess.

Unsere Erfahrung mit dem wirklichen Geschehen zeigt uns, dass das Geistige und das Materielle sich ergänzende Gegensätze sind, die über die Harmonie zu etwas Neuem führen.

Die Philosophie der altägyptischen Hochkultur kannte zwei heilige Gegensatzpaare von Begriffen, die als göttlich galten: Der Geist und das Stoffliche, der Raum und die Zeit, aus denen durch den schöpferischen Anstoß des Schöpfergottes der Kosmos entstand. Siehe Professor Röth, (11).

Dieser Kosmos ist unsere Wirklichkeit, die wir mit unserem Intellekt des Gehirns, der Intuition der Seele und der uns zufließenden Gabe Gottes (unter Christen als Gabe des Heiligen Geistes wirksam) zu erkennen versuchen. Wir würden scheitern, wenn wir nicht alle drei Gaben einsetzen würden, bei unserem Versuch, diese gegebene Wirklichkeit zu erkennen, zu beschreiben und zu vermitteln.

Darum schreibt der Philosoph Gustav Portig auf Seite 17 – 20 seines genannten Buches weiter: „Es tritt uns in der Geschichte des menschlichen Geistes Jahrtausende hindurch auf allen Gebieten in den verschiedensten Formen ein gemeinsamer Grundzug entgegen. Die Vernunft ist zunächst nur fähig, das zweite Glied einer Zweiheit als eine andere Form des ersten aufzufassen. Sie vermag noch nicht zwei ursprüngliche, selbständige, wesentlich verschiedene Glieder gleichzeitig als (harmonisierende H.D.) Einheit zu denken. So müssen auch wir (heutigen Ichmenschen) aus dem Weltalter des Ich und des Nicht-ich in das höhere des Ich und Du, aus dem des Gegenstückes der einen Substanz in den (harmonisierenden) Gegensatz der zwei Substanzen, aus der (primitiven) Vereinfachung (Trennung) zur Vereinheitlichung (Verbindung) finden und aus dem des alles beherrschenden Urbegriffes der Quantität in einen solchen der Quantität und Qualität als der Zweiheit im Denken übergehen. Die letzte Zweiheit heißt hier Gott und die Welt, als (harmonisierender) Gegensatz, nicht als (von Gott getrenntes) Gegenstück.

Ferner ist von der größten Tragweite, dass der Bereich der begrifflichen logischen und der mathematischen Möglichkeiten als wesentlich verschieden vom Bereich der gegebenen Wirklichkeit erkannt und anerkannt wird.

Das Reich der Möglichkeit führt zuletzt zu einer Vereinfachung, dasjenige der Wirklichkeit zu der denkbar inhaltreichsten Vereinheitlichung. Niemals kann etwas Wirkliches aus etwas bloß Gedachten hervorgehen, niemals erschöpft das Gedachte die Wirklichkeit, niemals kann die Wirklichkeit in eine bloße Möglichkeit zurückverwandelt werden. Es kann nur das Reich der Möglichkeit auf die denkbar geringste Zahl von Ideen, Gesetzen und Prinzipien, dasjenige der Wirklichkeit auf möglichst wenige Quantitäten (Substanzen) und (metaphysische) Qualitäten zurückgeführt werden. Wenn es zwei gleich ursprüngliche Substanzen als Glieder eines Ur-Gegensatzes gibt, dann auch zwei ihnen entsprechende metaphysische Qualitäten. Keine geschaffene Substanz kann verringert geschweige denn vernichtet werden; keine ewige Wahrheit kann jemals außer Geltung gesetzt, keine Tat kann ungeschehen gemacht werden.

Das, was wir als den Bereich der metaphysischen Möglichkeiten bezeichnen können, ist nur eine Vereinheitlichung der gegebenen Wirklichkeit, eine Zurückführung auf ewig notwendige, unveränderliche Prinzipien. Es reicht aber über den Bereich der logischen Möglichkeiten weit hinaus. Letztere sind quantitativ endlos, die Prinzipien aber sind das Vermittelnde zwischen Gott und Welt. An sie hat sich Gott und die Welt gebunden; aus ihnen hat er für sich selbst die Urbegriffe und Gesetze des Weltprozesses hervorgehen lassen. Diese Dreieinigkeit der ewigen Prinzipien hat in i h r e r Art ebenso eine Wirklichkeit wie der Bereich der Substanzen in dem S e i n i g e n. Hätte sie diese nicht, so könnte sie nicht dem Weltprozess des Kosmos zu Grunde liegen,

Auf dem Wege der V e r e i n fa c h u n g gelangen wir zu immer größerer Unbestimmtheit, auf dem Wege der V e r e i n h e i t l i c h u n g zu immer größerer B e s t i m m t h e i t. Wie dort die letzte Unbestimmtheit nur eine solche der Q u a n t i t ä t sein kann, so hier die höchste Bestimmtheit eine solche der Q u a l i t ä t.

D i e Q u a n t i t ä t gipfelt in einer schrankenlosen Ausdehnung, die Qualität in schrankenvollster Selbstbeschränkung. Erstere ist negativste Kraftverminderung, letztere positivste Kraftsteigerung.

Alle Dinge stellen die zahllos möglichen Verbindungen von Quantität und Qualität dar. Je bestimmter individualisiert Quantitäten sind, umso mehr stehen sie dem Einströmen von Qualitäten offen. Der ganze Weltprozess hat keinen andern Zweck, als das ursprünglich von Gott gesetzte Verhältnis der größeren Quantität und geringeren Qualität umzukehren in ein solches der vorherrschenden Qualität in der Welt des Geistes und der Materie.

Eine bis in das Kleinste und Feinste durchgeführte Verbindung von Quantitäten und Qualitäten nennen wir ein Individuum. Die ganze Wirklichkeit besteht nur aus Individuen, deren jedes etwas Irrationales hat. Wenn aber selbst Gott und Welt nur als Individualitäten gedacht werden können, weil sie den letzten und höchsten aller Gegensätze bilden, weil sie die letztmögliche inhaltreichste Vereinheitlichung sind; dann gibt es keine allgemeine Substanz in der Wirklichkeit sondern nur im Bereich der Begriffe.

'Wenn es ferner in der ganzen Wirklichkeit nicht zwei völlig gleiche Dinge oder Ereignisse gibt, dann führt nicht die Vereinfachung, sondern nur die Vereinheitlichung zum Ziel.

Die Vereinfachung zerstört immer wieder das, was mit unendlicher Vernunftphantasie erdacht und mit unendlicher Schaffensfreudigkeit gesetzt worden ist: nämlich die Individualitäten des Weltalls. Die Vereinheitlichung aber führt diese empor zu höheren Potenzen ihrer selbst und steigert den ihnen eingepflanzten „Drang zum Leben". Die bloße Bestimmungslosigkeit und Schrankenlosigkeit endet in einem alles verschlingenden Abgrund, die Vereinheitlichung hebt alles empor zu immer reiferem und höherem Leben. Die bloße Einfachheit der Quantität ist leer, die Vereinheitlichung bis zu immer reinerer Qualität ist erhaben. Der Verstand wird durch seine Vereinfachungen zuletzt hochmütig, weil er allein noch über der Finsternis des allgemeinen Absoluten schwebt; die Vernunft wird ihren Vereinheitlichungen gegenüber immer demütiger und hoffnungsfreudiger zugleich. Wenn wir sagen: Die Philosophie ist das Nicht-Ich der Mathematik, so ist das die denkbar größte Vereinfachung; wenn wir aber sagen: die Philosophie ist die Wissenschaft der Gesamtwissenschaft, so ist das die denkbar größte Vereinheitlichung. Wenn wir sprechen - Gott ist das Absolute, so ist das die schlimmste Verdünnung oder Entleerung; wenn wir aber bekennen: Gott ist die Liebe, so ist das die denkbar größte Bereicherung durch Vereinheitlichung.

Wenn nun einerseits das ganze Weltall aus lauter Individualitäten besteht, andrerseits nichts schlechthin Vereinzeltes vorkommt; wenn selbst die höchste Vereinheitlichung diejenige des Gegensatzes von Gott und Welt ist, so muss als oberster metaphysischer Grundsatz derjenige der Gegenseitigkeit oder Zweieinigkeit hingestellt werden. Einerseits existieren so viele Verschiedenheiten wie Individualitäten, andrerseits existiert jede Individualität nur innerhalb einer Zweiheit. In der ganzen Wirklichkeit ist jede Individualität noch irgendwie zusammengesetzt, weil sie gleichzeitig sich selbst behaupten und einer anderen Individualität hingeben muss.

Nur so können sie wirksam sein. Nur dann aber, wenn die Gesamtheit aller substantiellen Individualitäten, welche wir Welt nennen, etwas bewirken können, existieren sie wirklich.

Vermögen sie das aber nicht, so sind sie nur der Bewegung oder Tätigkeit fähig, d.h. des Scheins der Wirksamkeit fähig.

Soll also der Weltprozess ein wirklich etwas bewirkender sein, so müssen ihm lauter Zweiheiten zu Grunde liegen, deren beide Glieder durch ihre Wechselwirkung etwas bewirken können.“ So weit der Naturphilosoph Gustav Portig.

Kehren wir nun zu unserer Feststellung zurück, dass die Menschheit den Verlust der Wirklichkeit und der göttlichen Mitte erlitten hat. Möglich geworden ist es dadurch, dass der Wechsel vom Geozentrischen Weltbild mit der Erde in der Mitte und dem Himmel hinter den Sternen vor rund 500 Jahren abgelöst wurde. Nun galt als theoretisch richtig im Heliozentrischen Weltbild, dass die Sonne in der Mitte des Kosmos stehe. Man übernahm anfangs wohl die Vorstellung vom Himmel hinter den Sternen, gab aber diese Vorstellung vom Himmel sofort auf, als theoretische Schwierigkeiten mathematischer Art auftraten.

Die für die im Sinne der Kirche richtige philosophische Deutung des Kosmos als Himmel und Erde wurde damit von der Theorie in Frage gestellt. Es begann mit Kopernikus und Galilei das Zeitalter der Theoretischen Physik mit all ihren Irrtümern und Erfolgen. Ein Unglück für die Menschheit war der Mangel an echten Wissenschaftlern innerhalb der Kirche in jener Zeit, die fähig waren, die Wirklichkeit zu verteidigen und nicht statt dessen mit dem Scheiterhaufen drohten und auch anwandten, sondern ebenso fähig waren, die Theoretische Physik zu verstehen als Versuch, die Wirklichkeit zu beschreiben mit den Mitteln der Mathematik. Die ebenso erkannten, wie das Kopernikus anfangs noch konnte, von einem mathematischen Modell des Kosmos zu schreiben. Auch dass dies die Wirklichkeit vom real existierenden Kosmos nicht hätte gefährden können, wenn man Wirklichkeit und Theoretische Physik als harmonisierende Gegensätze verstanden hätte, wie das heute schon teilweise möglich ist. Das Verhängnis nahm seinen Lauf, als nach und nach die Theoretische Physik von dem Teil ihrer philosophisch ungebildeten Vertreter kurzschlüssig als Wahrheit und Wirklichkeit gelehrt wurde. Die bedeutenden Größen unter den Wissenschaftlern vollzogen diesen Irrtum nicht mit, aber die Mitläufer und Eiferer schufen durch die Menge ihrer Zahl die Grundlage dafür, dass der Irrtum sich verbreitete und jeder verhöhnt wurde, der diesen korrigieren wollte.

Als Zeuge zitiere ich Professor Albert Einstein, der folgendes schrieb:









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